Unsere Erwartungen
Der Artikel „Unsere Erwartungen“ besteht aus Auszügen von drei Reden, die Aktivistinnen und Aktivisten von ATD Vierte Welt am 9. Mai 2023 in Bern im Rahmen des Kolloquiums „Endlosschlaufe Armut: welche Verantwortung für unsere Gesellschaft?“ gehalten haben.
Maria-Theresia Hajnal, Aktivistin von ATD Vierte Welt, Teilnehmerin am Forschungsprojekt „Armut – Identität – Gesellschaft“, erklärt, was sie vom Kolloquium erwartet.
Vielleicht stellt sich jetzt beim einen oder der anderen unter ihnen die Frage, warum wir zusammen an diesem Anlass sind. Und es könnte auch sein, dass das während des Kolloquiums Gehörte beim einen oder anderen ein Gefühl von Anklage hervorruft oder sich der eine oder andere nicht wirklich angesprochen fühlt und ein Gefühl des nicht dazu Gehörens vermittelt bekommt.
Was wir als ATD Vierte Welt möchten, ist, uns mit euch auszutauschen, euch kennenzulernen, um zu erfahren und zu verstehen, wie ihr über die verdeckte Armut in der reichen Schweiz denkt und was wir gegenseitig voneinander brauchen, ihr von uns und wir von euch, damit wir miteinander in Beziehung treten können, um ein gemeinsames Ziel, eine Veränderung anzustreben.
Alain Meylan, Aktivist von ATD Vierte Welt und Mitglied der Begleitgruppe des Projekts „Armut – Identität – Gesellschaft“, beschreibt diese Forschung als ein Werkzeug.
Das Projekt, an dem wir fast vier Jahre lang gearbeitet haben, gibt ein gutes Fundament. Wir waren in vielen Schulen für Sozialarbeit und haben dort darüber gesprochen. Und viele Organisationen interessieren sich dafür. Es wurde sogar ein Preis für diese Arbeit verliehen. Es ist wichtig für uns, es heute vor Ihnen zu präsentieren. Ich bin überzeugt, dass dieser Bericht ein hervorragendes Arbeitsinstrument ist und dass man mit diesem Werkzeug etwas aufbauen kann.
Mit diesem Werkzeug kann man verstehen, wie die Armut von Generation zu Generation fortbesteht. Man kann die Mechanismen verstehen, die zu Zwangsunterbringungen führen; man kann verstehen, wie Behörden dazu kommen, einem Menschen alle Rechte zu nehmen.
Dieses Instrument ist nicht dazu gedacht, zu verurteilen. Es ist ein Werkzeug, mit dem man eine bessere Zukunft aufbauen, Lebensprojekte verwirklichen, Familien vereinen und festigen und die Würde verleihen kann, auf die jeder und jede ein Recht hat. Mit diesem Instrument können wir alle gemeinsam kämpfen: die Institutionen, die Politiker, die Arbeitswelt, die Finanzwelt und das Volk.
Alle zusammen in Einheit können wir die Dinge und Tatsachen ändern.
Für mich ist es von entscheidender Bedeutung, dass dieser Bericht, dieses Arbeitsinstrument, nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Ausland bekannt gemacht wird. Denn Elend und Armut machen keinen Unterschied zwischen den Völkern.
Elisabeth Gillard, Aktivistin von ATD Vierte Welt und Mitglied der Begleitgruppe der Forschung „Armut – Identität – Gesellschaft“, betont die Bedeutung der Volksuniversitäten Vierte Welt.
Mit den Volksuniversitäten Vierte Welt, die während der Forschung fünfmal stattfanden, entdeckt man, dass man das Recht hat, sich zu verteidigen, dass es nicht normal ist, was man erlebt. Sich zusammenzuschliessen, um zu verstehen, was man erlebt, verleiht uns grosse Kraft und gibt uns Worte, um nachzudenken und mit anderen zu sprechen, die nicht das erleben, was wir erleben.