Gestalten und Teilen

Ein kreativer Moment… mit Glasabfällen. Treyvaux, Juni 2023.

Bei ATD Vierte Welt gehören das Gestalten und das Teilen zusammen. Die folgenden Worte zeugen auf je eigene Weise davon. Sie sind in der Kreativwoche dieses Sommers im nationalen Zentrum von ATD Vierte Welt gesammelt worden.

Brigitte Bijoux Rose aus Bulle, beim Entdecken der Bewegung ATD Vierte Welt

„Ich bin zum allerersten Mal in Treyvaux – zuerst kannte ich niemanden und ich wusste fast nichts von ATD Vierte Welt. Am Anfang der Woche war ich also ein wenig scheu. Aber jetzt fühle ich mich wohl hier. Alle haben mich akzeptiert. Ich wurde mit offenen Armen empfangen, freundlich. Das wärmt! Man kann ein wenig von allem sprechen, ohne Vorurteile. Man hat mich so akzeptiert, wie ich bin. Ich bin allein, lebe allein. Aber hier fühle ich mich nicht allein. Allen diesen Menschen zu begegnen – diese menschliche Wärme, das habe ich noch nie erlebt.

Zuhause male ich mit Acrylfarben. Hier habe ich mit Freude den Holzschnitt und auch die Seidenmalerei gelernt. In Treyvaux etwas gestalten, das ist nicht wie zuhause. Hier kann man mit andern Leuten sprechen und sie um ihre Meinung bitten. Es ist eine geteilte Geschichte.

ATD, das ist wie Autostop machen. Plötzlich hält ein Wagen und führt uns irgendwohin. Ich bin viel mit Autostop gereist. In dieser Kreativwoche ist es auch ein wenig so: Man macht nicht etwas für jemanden und erwartet etwas dafür. Hier geben alle und erwarten nichts zurück – ausser vielleicht einem Lächeln, einem Danke.“

Jean-Marie Baeriswyl, Aktivist von ATD Vierte Welt, Genf

„Am zweiten Tag dieser Kreativwoche habe ich etwas gelesen, das ich vor etwa zehn Jahren geschrieben habe, einen Text über eine Reise. Darin erzählte ich, wie ich jene Reise erlebt hatte. Beim Lesen stellte ich fest, wie sehr ich mich seither verändert hatte, und das war gut. Heute bin ich entspannter, ruhiger und offener gegenüber den Leuten.

Erzählen, das bedeutet für michreisen zu können, mich an das auf der Reise Erlebte zu erinnern. Erzählen, das ist auch kreativ, das kommt von mir. Ich liebe das Kreative. Das lässt mich den Moment nochmals erleben; nicht so viel darüber nachdenken, sondern ihn einfach erleben. Es erinnert mich an Erlebtes, das mir gut getan hat. Und das führt mich vorwärts.

Meine Art zu zeichnen führt mich auch voran, aus mir heraus. Ich bin mit meinem Schreibstift und alles geht von alleine. Ich muss nicht denken, ich muss nur wissen, wohin meine Zeichnung geht, nach oben, nach unten. Und die Schranken, die Barrieren, die mir nichts sagen, verhindern. Die Schranken meiner Zeichnung weglassen, um mich wirklich ausdrücken zu können. Um mich selbst zu sein und zu meinem Werk zu gehören. Ich leere mein Herz, wenn ich zeichne. Meine ganze Poesie geht in die Zeichnung, und das liebe ich sehr.

Und wir sind ein gutes Team, wir lachen! Hier ist es sehr leicht, mit den andern in Kontakt zu treten, in der Gesellschaft ist das wirklich schwierig. Aber hier kann man frei reden.“

Nicole Aeby, Aktivistin von ATD Vierte Welt, Freiburg

„Seit 40 Jahren und noch länger bin ich nun in der Bewegung. Ich liebe das Gestalten und es hilft mir, vorwärts zu gehen.

Man hat nicht immer Kreativ-Werkstätten gemacht im Laufe dieser Zeit. Es gab auch Versammlungen – man sprach viel und ich hatte das Gefühl, man komme nicht oder allzu langsam voran. Für mich hat schöpferisches Tun eine praktischere und direktere Seite. Und du kannst deine Nöte ausdrücken.

In Treyvaux ist man in der Gruppe. Man kann sprechen. Das gibt Ideen. Was die andern tun, ist stark, es berührt mich. Überhaupt, hierher zu kommen, lässt mich auftanken – und wenn ich nicht komme, so fehlt es mir. Wirklich, ich könnte solche Ateliers jeden Monat machen – das würde mir helfen zu leben, ich würde voller Energie wieder weggehen.“

Sönne, Aktivistin von ATD Vierte Welt, Basel

„Mich hat sehr beeindruckt, dass wir mit Glasscherben, die eigentlich Abfall sind, Schönes hergestellt haben.“

Und darauf Brigitte Bijoux Rose

„Diese Glasscherben sind ein wenig wie die Scherben unseres eigenen Lebens. In dieser Kreativwoche legen wir unsere Leben zusammen und das gibt ein so schönes Werk!“

Übersetzung von Johanna Stadelmann