10Monate10Rechte

Poster der 2021 10Monate10Rechte Kampagne

10Monate10Rechte ist eine Sensibilisierungskampagne, die die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde des Kantons Neuenburg bereits zum zweiten Mal durchführt. Im Laufe eines Jahres werden verschiedene Rechte aus dem UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes aus dem Jahr 1989 (von der Schweiz 1997 ratifiziert) behandelt.

Am 20. Oktober diskutierten ATD Vierte Welt und etwa 15 Fachleute aus den Bereichen Soziales und Kinderbetreuung über das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard.

Hinterfragen von Vorstellungen und Praktiken

Die Aktivistinnen Andréa Saffore und Elisabeth Gillard traten als Sprecherinnen für ATD Vierte Welt und für armutsbetroffene Menschen auf. Sie tauschten ihre Erfahrungen zu diesem Thema aus, die sie in ihrer eigenen Kindheit, in der Schule oder in ihrem derzeitigen familiären Umfeld gemacht haben. Es fand ein reger Austausch statt – zunächst in kleinen Gruppen und dann im Plenum. Die TeilnehmerInnen konnten sowohl ihre Vorstellungen von Armut als auch ihre berufliche Praxis hinterfragen.

In den Diskussionen trat ein zentrales Element in den Vordergrund: Es reicht nicht aus, die Grundbedürfnisse eines Menschen zu befriedigen, um sein Recht auf einen angemessenen Lebensstandard zu wahren. Armut ist ein multidimensionales Problem, wie Die versteckten Dimensionen der Armut belegen, eine kürzlich von der ATD Vierte Welt und der Universität Oxford durchgeführte Studie (auf Französisch und auf Englisch verfügbar). Kinder werden von der Umgebung beeinflusst, in der sie aufwachsen. Das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Faktoren wie: Grosse Verantwortung übernehmen von klein auf, Unterbringung in Heimen oder das Gefühl der Ausgrenzung, das mit dem Etikett „armes Kind“ einhergeht, tragen wesentlich dazu bei, ob es ein menschenwürdiges Leben führen kann oder nicht. In diesem Zusammenhang wurde betont, dass es besser wäre, vom Recht auf ein menschenwürdiges Leben zu sprechen als vom Recht auf einen angemessenen Lebensstandard.

Beiträge des Erfahrungswissens

Elisabeth Gillard sprach über einige der Ungerechtigkeiten, die sie als Kind erlebte: „Mit 10 Jahren war ich bereits erwachsen. Ich hatte die Verantwortung eines Erwachsenen. Ich hatte keine Zeit mehr, an die Schule zu denken“. Auch Andréa Saffore äusserte ihre Sorgen und Forderungen: „Ich habe Angst um meine Kinder. Angst, dass sie das gleiche durchmachen werden. Ich habe es geschafft, mit meinem Sohn die Kette zu durchbrechen, weil ich dafür gekämpft habe, ihn zu behalten. Weil der Richter mir zugehört und mir vertraut hat. Damit wir ein würdevolles Familienleben führen können, müssen wir gehört werden. Die Eltern und die Kinder. Gehört zu werden bedeutet, dass wir wirklich ernst genommen werden, als Einzelne und als Familie“.

Die zwei Aktivistinnen sind der Meinung, dass unsere Gesellschaft noch einen weiten Weg vor sich hat, um sich der tatsächlichen Situation von Kindern und Familien, die von Armut betroffen sind, voll bewusst zu werden. Während der gesamten Diskussion betonten sie auch, wie wichtig eine Änderung der Sichtweise ist, wie wichtig es ist, Menschen in Notsituationen nicht länger zu stigmatisieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich aktiv an der Bekämpfung der Armut zu beteiligen.

Estelle Brosteaux, Master-Studentin für Kinderrechte an der Universität Genf und ATD Vierte Welt Praktikantin in Treyvaux.

Übersetzung von Petra Lackner.

Weitere Informationen über die Kampagne 10Monate10Rechte finden Sie (auf Französisch) unter www.10mois10droits.ch.