Auswirkungen auf die Gesundheit

Soziale Ungleichheit hat Auswirkungen auf die Gesundheit

In Genf hatten wir rund dreissig Personen im Joseph-Wresinski-Haus mit dem Thema sozialer Ungleichheit und deren Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder eingeladen. Und in Basel eröffneten Mitglieder von ATD Vierte Welt eine Reihe von Abendveranstaltungen zum Thema Gesundheit.

Wir hatten Jean-Dominique Lormand, Facharzt für öffentliche Gesundheit und ehemaliger Leiter des Gesundheitsdienstes für Kinder und Jugend in Genf, eingeladen. Er beleuchtete die Verbindung zwischen Gesundheit und prekären Lebensverhältnissen, indem er an die vielseitigen Einwirkungen auf die Gesundheit erinnerte (wie Ernährung, Wohnung, Transport, soziales Umfeld, Sicherheit, Arbeit, Einkommen usw.).

Der Stress ist am ärgsten

Mehr als die Hälfte aller sozialen Ungleichheiten lassen sich durch äussere Faktoren erklären und nicht durch persönliches Verhalten. Wenn jemand in Unsicherheit lebt, ohne gute Bedingungen im Bereich Wohnen, soziales Umfeld, Einkommen, Arbeit und Zugang zu öffentlichen Diensten, so wird diese Person mehr Mühe haben, ihre Meinung zu äussern, ja sich eine eigene Meinung zu bilden. Die Ungleichheiten zeigen sich auch im Wissen, in der Selbstachtung und im Selbstvertrauen, im Gefühl, Wahlmöglichkeiten zu haben oder nicht und besonders auch darin, ständig im Stress zu stehen. „Der Stress ist am ärgsten, er zerstört dir die Gesundheit. Im Dauerstress, wenn andere über dich bestimmen, da hast du dein Leben nicht in der Hand.“

Die Bildung ist ein Schlüsselfaktor im Bereich der Gesundheitsprobleme. Eine neuere Forschung zum Hintergrund des Schulversagens zeigt, dass in Sonderklassen 6% der Kinder unterrichtet werden und dass diese vor allem aus wirtschaftlich und sozial benachteiligten Familien kommen. Es gibt Familien, deren Kinder seit Generationen Sonderklassen durchlaufen. Sie machen die bittere Feststellung, dass ihnen dies weder zu einer richtigen Berufsbildung noch zu einer Anstellung verholfen hat. Die armutsbetroffenen Familien hoffen, dass die Schule noch integrativer wird.

Wie kann dafür gesorgt werden, dass alle Zugang zu Bildung und Gesundheit haben?

Hier einige Wege, die genannt worden sind:

Die Bedeutung des Zugangs zur Information, der Beachtung, der Schande, der Etiketten: „Manche Ärzte, wenn sie sehen, dass du IV hast, arbeitslos bist oder auf dem Sozialamt, behandeln dich anders. Wir haben schon abwertende Bemerkungen erhalten. Es gibt Zahnärzte, die dich nicht behandeln wollen, wenn du IV hast, weil die Rückerstattung auf sich warten lässt.“

Die Bedeutung des Empfangs und des Zuhörens: „Ich habe die Frau am Empfang gebeten, etwas weniger laut zu sprechen. Sie sagte unsere Namen, das störte mich. Aber meine Bemerkung hat ihr nicht gefallen und das hat sie auch gezeigt… Zudem hatte meine Tochter keine Krankenkasse, das machte unsere Situation noch schlimmer. Manchmal habe ich das Gefühl, eine Schweizerin zweiter Klasse zu sein.“

Das Handbuch der Leitlinien „Menschenrechte und grosse Armut“ bekanntmachen. Es zeigt auf, wie das Zusammenwirken von öffentlichen Diensten und armutsbetroffenen Menschen gefördert werden und zu realistischen Massnahmen der Mitwirkung führen kann. Dieses Handbuch zur Verteidigung der Rechte, auch auf Gesundheit und auf Bildung, sollte man immer zur Hand haben und allen bekanntmachen: Behandelnden, öffentlichen Diensten und Mitbürgern.

Cathy Low