Sommerferien in Treyvaux

Gemeinsames Werk, gemalt während der Sommerferien 2022 in Treyvaux

Luft holen und schöne Momente teilen

Der Sommer im national Zentrum von ATD Vierte Welt in Treyvaux, das bedeutet Ferien und willkommen sein; Workshops, vielfältige Aktivitäten und Begegnungen. In diesem Juli verbrachten dort zwei Gruppen von fünf Familien je eine Woche. Sie kamen aus verschiedenen Regionen der Schweiz, die erste Gruppe sprach französisch, die zweite deutsch. Florent Bambara, ständiger Volontär von ATD Vierte Welt hat sie durch die Tage und Abende begleitet. Er schildert was ihn beeindruckt hat.

Zu sich selbst finden

„Der Alltag der Familien, die sich für die Ferien in Treyvaux einfinden, ist von Armut bestimmt. Und für viele von ihnen kommt noch hinzu, dass sie getrennt leben, mit Kindern, die von klein auf in Heimen untergebracht sind, oft ohne das Recht auf regelmässige Familienzeit, die für die Stärkung von Bindungen unerlässlich ist. 

Für sie bedeutet der Aufenthalt in erster Linie eine wunderbare Gelegenheit sich als Familie zu finden. 

Hier können sie mehr als bloss ein paar Stunden zusammen sein, Bindungen stärken und ein Familienleben führen. Und nicht nur das.

Natürlich sind viele Aktivitäten organisiert. Spaziergänge, Entdeckungen, Mahlzeiten, Workshops. Man spielt zusammen – vor allem die Kinder. All dies gibt Gelegenheit, sich kennen zu lernen, sich auszutauschen, zu diskutieren. Wir erzählen uns gegenseitig und hören einander zu. Man hört die Lebensgeschichte der anderen, lernt von ihren Schwächen und Stärken. Man wird sich bewusst, dass andere ähnliche schwierige Situationen erleben wie man selbst und erkennt, dass man nicht allein ist. Das macht richtig Mut.

Neue Energie tanken

Und man ruht sich aus. Die meisten Eltern sind sehr müde vom täglichen Kämpfen. Sie haben kaum je Gelegenheit sich zu entspannen. Wenn man sie fragt, was sie in Treyvaux erleben möchten, ist ihre Antwort oft: 

„Wenn man einen Moment lang durchatmen könnte…“.

Sich um sich selbst kümmern, um nachher wieder Ressourcen für die Kinder und die Partnerin oder den Partner zu haben. So kümmern sich das Team oder andere Familien eine Zeitlang um die Kinder. Das ist so wertvoll!

Frei sein

Hier können die Kinder Dinge tun, die ihnen dort wo sie leben nicht erlaubt sind. Laut schreien, hinausgehen, sich austoben, frei sein, ziellos herumrennen. Sich nicht immer beobachtet fühlen. Man muss die Kinder manchmal machen lassen. Sie müssen Dummheiten begehen, und sie müssen mit diesen Dummheiten umgehen lernen.Man muss ihnen nicht dauernd sagen, dass sie etwas falsch gemacht haben. Man muss natürlich aufpassen, aber nicht zu genau. So werden es „kontrollierte“ Dummheiten. Man ist aufmerksam, aber man spielt nicht den Aufseher, die Aufseherin; man ist nicht da um negative Rückmeldungen zu geben – negativen Kommentaren sind sie im Alltag schon oft genug ausgesetzt.

Wiedergefundenes Selbstvertrauen

Der Begriff „Vertrauen“ ist mir wichtig und ich sage zum Schluss etwas zu diesem Thema. Die Abreise ist für einige sehr schmerzhaft. Hier ist es ideal, jedenfalls konnte man einen gewissen Idealzustand erleben, den man nun nach ein paar Tagen schon wieder verlassen muss. Aber die Familien haben durchatmen können und haben jetzt wieder Luft. Sie haben erlebt, dass man schöne Momente miteinander teilen und sich näherkommen kann. Sie haben neue Energie gewonnen, und auch Hoffnung. Ihr Selbstvertrauen ist grösser geworden.

Florent Bambara, ständiger Volontär im nationalen Zentrum in Treyvaux

Übersetzung von Theres Baertschi