Ein neuer Wind

Ein neuer Wind

Das Team der Volontariatsmitglieder der Bewegung ATD Vierte Welt ist in der Schweiz im Januar 2021 mit der Ankunft von Florent Bambara und Henriette Nikiema aus Burkina Faso verstärkt worden. So wie sich Volontariatsmitglieder aus Europa in andern Ländern einsetzen, tun das solche aus Afrika, Lateinamerika und Asien mit den Teams in Europa oder Nordamerika. Sie bereichern diese mit ihrem Wissen, das sie im Leben mit den Ärmsten ihres Landes erworben haben.

Unser Land verlassen

Florent: Das machte uns der Einsatz der ATD-Mitglieder vor Ort möglich. So konnte ich auch die Leitung von ATD Vierte Welt in Burkina Faso weitergeben.

Henriette: Unsere Familien sorgten sich um uns: Warum gerade jetzt verreisen, während dieser Pandemie? Ende 2020 sprachen die Medien bei uns von Europa, als ob die Menschen dort stündlich sterben würden. Das machte Angst. Nun rufen uns unsere Familien regelmässig an. Ich sage ihnen: Es geht uns gut. Mein Herz hat Frieden.

Florent: Schwerwiegende Ereignisse in Burkina Faso, wie bewaffnete Konflikte, haben die Volontariatsmitglieder aus Frankreich nicht am Kommen in unser Land gehindert. So ist das im Volontariat! Eine französische Volontärin, die für die Geburt ihres Kindes in ihr Heimatland gefahren war, kam mit dem Baby zu ihrer Familie hier in Burkina zurück, trotz eines Volksaufstands in Ouagadougou. Was für ein Vertrauensbeweis!

Henriette: Mein Land zu verlassen, das erlebte ich schon als junges Mädchen, als ich meine Familie im Dorf zurückliess, um in die Stadt zu gehen. Das half mir, mit Zuversicht an einen neuen Ort zu gehen. Auch mein Glaube an Gott gibt mir Kraft, und dass ich mit meinem Mann zusammenarbeiten kann.

Voneinander lernen

Florent: Ich hatte Gelegenheit, ATD-Mitglieder aus aller Welt zu treffen, sowohl bei regionalen Treffen in Afrika als auch bei internationalen Zusammenkünften in Frankreich. Ich habe verstanden, dass das, was die ärmsten Familien erleiden, sich in allen Ländern gleicht.

Henriette: Ich habe ATD Vierte Welt dank meinem Mann kennengelernt. Abends traf er sich mit Jugendlichen, die auf der Strasse lebten, um „Bibliothek unter den Strassenlampen“ zu halten. Das gab mir Lust, mitzumachen. Im Hof von ATD Vierte Welt empfing ich dann Jugendliche und Kinder, die auf der Strasse lebten, dort oft misshandelt wurden und verwundet zu uns kamen. Früher fürchtete ich mich vor ihnen. Aber dann spielten meine Kinder mit ihnen.

Florent: Was mir Vertrauen gegeben hat, das war auch zu wissen, dass wir nicht in die Schweiz kommen würden, um etwas anzufangen, sondern um uns Familien, Volontariatsmitgliedern und Freunden anzuschliessen, die schon lange diese Bewegung entwickeln und leben. Für uns ist das mehr als eine Arbeit. Es ist eine Verpflichtung und ein Weben von vertrauensvollen Beziehungen, um uns Schritt für Schritt kennenzulernen.

Unsere ersten Monate hier

Florent: Beim Empfang und den Kreativ- zeiten im Haus hier entdecke ich Menschen, die darunter leiden, dass sie nicht frei handeln können. Die Mittel, die der Staat den Menschen gibt, machen sie abhängig und mir scheint, dass ihr Leben stark kontrolliert wird. In unseren Ländern kann man denken: „Die haben es gut, sie erhalten Hilfe vom Staat.“ Hier sehe ich eine andere Art von Leiden. Man hat den Leuten sozusagen eine Nummer gegeben, sie bleiben in ihrer Ecke und können sie nicht verlassen. Dem Team in meinem Land übermittle ich den Einsatz und die Realität von hier. Das macht sie nachdenklich, denn in meinem Land kennt man nur den Reichtum von Ländern wie der Schweiz. Henriette: Bei uns ist das Willkommenheissen sehr wichtig. Hier sehe ich, dass das Haus auch für alle ist. Hier sind wir alle gleich. Wenn du kommst, so fühle dich wie zuhause!

Florent: Wie alle Orte der Bewegung ist dieses Haus ein Ort, wo die Menschen sich weiterbilden und Kraft schöpfen, um sich dem Leben zu stellen. Diese Orte sollen schön sein. Alle sollen dazu beitragen können: Miteinander!

Siehe auch den Artikel von Florent Bambara zu seinem Engagement in Burkina Faso.

Aus einem Gespräch mit Anne-Claire Brand und Elisabeth Gillard