Chronik II

Chronik (I): Erfahrungen in Zeiten der Corona-Krise
Bild: Christian Januth – « L’homme de fer »

Was bedeutet diese Krise?

Täglich berichten uns armutsbetroffene Menschen, wie sie und andere von der Corona-Krise getroffen werden und welche Bewältigungs-Strategien sie entwickeln. Auch engagierte MitbürgerInnen bringen ihre Erfahrungen ein, um jetzt und langfristig Verbesserungen zu bewirken. Die 2. Ausgabe unserer Wochenchronik enthält Aussagen zur tieferen Bedeutung der Krise, zu ihren Folgen für den Alltag und speziell für Menschen mit schlechtem Gesundheitszustand.

Was bedeutet diese Krise?

«Ich glaube in dieser schwierigen Zeit ist eine Botschaft versteckt. Manchmal kommt eine Warnung für die Menschheit, im Sinne von: Kehrt um. Der Mensch macht die Welt kaputt, darum geht es. Bei den grossen Mächten wie die USA und China ist das noch nicht angekommen. Was kann man schon machen, wenn nur die Mächtigen diese Welt regieren?»

«Es ist eine spezielle Situation, die wir erleben. Ich denke die Menschheit braucht diese Verlangsamung und mehr Aufmerksamkeit füreinander. Es tut den Menschen, den Tieren und der Natur gut.»

«Es ist wichtig, dass wir besser verstehen, was vor sich geht. Denn um es heil bewältigen zu können, muss man es verstehen.»

«Vereinigung, Respekt, Liebe, Solidarität untereinander. Wir sind alle Menschen, es gibt keinen Unterschied.»

Was sind die Folgen für unseren Alltag?

«Eine Erzieherin hat erzählt, dass eine Mutter darum gebeten hat, ihre beiden Kinder wieder ins Heim geben zu können. Sie hat zu Hause noch ein weiteres Kind und nicht genug Geld zur Verfügung für drei Kinder.»

«Die Gespräche über Skype mit den Enkelkindern sind herzerwärmend und gut für die Moral. Heute Morgen haben wir zugesehen wie eines der Kinder Brot gebacken hat!»

«Ich kann meine Freunde nicht anrufen, weil ich das Gefühl habe, dass ich sie stören würde. Auch wenn es gut sein kann, dass ich sie gar nicht störe. Aber so ist es nun mal, so etwas denke ich eben.»

«Die Lebensmittelabgabe ist in meiner Stadt geschlossen. Ein grosser Einbruch für eine Eineltern-Familie, die sich an unseren Verein wendet. Die Mutter berichtet, dass sie Ravioli-Büchsen haben, aber sonst könne sie nichts einkaufen. Sie bekommt einen Migros-Gutschein. Zudem sei es sehr schwierig, weil die jüngere Tochter keinen Computer habe und von der Schule die Aufgaben kämen. Ich habe für das Mädchen einen Computer bestellt.»

Was ist mit denen, die bereits in einem schlechten Gesundheitszustand sind?

«Es ist schwierig mit einem Körper zu leben, der mehr und mehr seine Dienste einstellt. Auf der anderen Seite bekomme ich soviel Hilfe wie noch nie. Im Moment habe ich 42 Masken genäht, damit meine Helfer sich gegenseitig und auch mich nicht anstecken mit diesem Virus.»

«Ein Mann wartet auf einen Termin für eine Grauer-Star-Operation an beiden Augen. Man hat ihm gesagt, dass es nicht dringend ist, doch wenn er in einem Laden ist, kann er die Angaben auf den Produkten nicht lesen. Er sagt, dass er fast von einem Auto angefahren worden wäre, das er nicht gesehen hat.»

«Ein IV-Rentner, mit ganz hohem Risiko muss alle zwei Tage zur Konsultation ins Spital. Seine Konsultation wurde abgesagt. Als er anrief wurde er abgewimmelt, alles müsse jetzt für Corona-Patienten hergerichtet werden. Völlig entsetzt fragte er um Rat. Ich motivierte ihn, nochmals anzurufen und mit Nachdruck zu sagen, dass er unverzüglich mit seinem Arzt verbunden werden wolle. Er setzte sich durch und erhielt seinen Termin, denn sein Arzt wusste, dass die Behandlung von diesem Patienten nicht aussetzen konnte.»