ATD Vierte Welt, kennst du das?

Audrey Chèvre und Camille Jacot

Audrey Chèvre und Camille Jacot

Beschreiben, was ATD Vierte Welt ist und tut, das ist gar nicht so einfach. Zwei Verbündete berichten hier, wie sie das tun.

Eine Organisation, die sich bewegt

„Nein, nicht wirklich, vielleicht habe ich schon einmal davon gehört…“. Oder: „Ah, Ihr verkauft Glückwunschkarten, nicht wahr?“ Solche Antworten höre ich oft, wenn ich frage: „ATD Vierte Welt, kennst du das?“

Wenn ich unsere Bewegung beschreiben will, so sage ich zuerst, dass ATD Vierte Welt eine Organisation ist, die sich bewegt, die sich entwickelt, deshalb der Name „Bewegung“! Eine Bewegung, die in mehreren Ländern gegen die Armut kämpft – auch in der Schweiz!

ATD Vierte Welt ist eine Bewegung, weil sie sich anhand der Vorschläge und dem Suchen von Menschen entfaltet, die grosse Armut und Ausgrenzung erleben. Ich möchte auch sagen, dass wir nicht in erster Linie Aktionen FÜR die Ärmsten, sondern vielmehr MIT den Ärmsten durchführen. Wir fragen sie nach ihren Bedürfnissen, und auf dieser Grundlage entwickeln und leiten wir konkrete Projekte.

Wenn es die Zeit erlaubt, frage ich mein Gegenüber auch, was seiner Meinung nach die Bedürfnisse der armutsbetroffenen Menschen in unserem Land sind. Zu den häufigsten Antworten gehören: „Es gibt keine Armut in der Schweiz, es gibt ja Sozialhilfe“, oder: „Sie brauchen ein Dach über dem Kopf und zu essen“.

Ich weise darauf hin, dass die Sozialhilfe nicht genügt, um würdig zu leben. Das Gespräch dreht sich dann darum, was es für ein würdiges Leben braucht. Geht es darum, genug essen zu können und ein Dach über dem Kopf zu haben… und weiter nichts? Oder geht es darum, seine Meinung sagen zu können? Seinen Kindern einen Ausflug zu ermöglichen? Einfach voll anerkannt zu werden?

Audrey Chèvre, Lehrerin, Jura

Es ist die Begeisterung, die mir gefällt

Wenn uns etwas berührt, möchten wir es weitersagen und es mit andern Menschen teilen. Das ist es, was ich bei ATD Vierte Welt spüre! Und wenn ich in meinem Umfeld davon rede, führt mich die Begeisterung in tausend Richtungen. Ich möchte von den ausserordentlichen Werten der Bewegung reden, von den Beziehungen auf Augenhöhe unter den Menschen, vom „Miteinander Handeln“ anstatt vom „Handeln für“, und auch vom Wissen, welches armutsbetroffene Familien haben.

Wo also anfangen? Der Schlüssel heisst für mich Begeisterung. Sie hat mich bei den Menschen, die in der Bewegung wirken, berührt. Diese Begeisterung, dieses Feuer der AktivistInnen, der Verbündeten und der ständigen VolontärInnen, die ihren Stolz und ihre Würde ausdrücken. Ich spüre das ganz stark, besonderns wenn wir uns im nationalen Zentrum in Treyvaux zusammenfinden. Es zeigt, dass in unserem Tun und Zusammensein etwas grundsätzlich Richtiges steckt.

Um diese Begeisterung weiterzugeben, muss man die Leute mitnehmen und sie ein Treffen, einen Arbeitstag oder eine Volksuniversität Vierte Welt von innen her erleben lassen. Ich meine, es braucht Zeit, um sich von ATD Vierte Welt einnehmen zu lassen. Aber wenn die Flamme einmal brennt, dann für lange Zeit! Wenn ich eine Person treffe, die vor 15 oder gar 35 Jahren bei ATD Vierte Welt ein Praktikum gemacht oder an einem Baulager teilgenommen hat und jetzt davon spricht, dann staune ich oft, dass ich diese Flamme in ihrem Blick immer noch erkenne. 

Camille Jacot, Sozialpädagogin, Neuenburg

Übersetzung von Johanna Stadelmann