Zugang zu Sozialdiensten: Der Erstkontakt ist entscheidend

© Pavel Danilyuk
Die Zeitschrift für Sozialhilfe Zeso (Ausgabe 3/2024) veröffentlichte kürzlich einen Artikel von Camille Jacot, Verbündete von ATD Vierte Welt. Dieser Artikel macht deutlich, wie entscheidend die Qualität des ersten Kontakts zwischen den Sozialdiensten und den Personen ist, die um Hilfe ersuchen. Hier finden Sie einen leicht angepassten Auszug aus dem Artikel. Der gesamte Artikel ist auch über www.zeso-magazin.skos.ch zugänglich.
Der Zugang zur Sozialhilfe bedeutet für die Betroffenen, dass sie sich mehreren Herausforderungen stellen müssen. Die erste ist sicherlich, zu wissen, dass es eine solche Unterstützung gibt und dass man Anspruch darauf hat. Viele Menschen kennen ihre Rechte nicht und wissen nicht, wo sie Unterstützung bekommen können.
Die zweite Herausforderung besteht darin, den Schritt zu wagen und sich an die Sozialdienste zu wenden. Dieser Weg kann lang sein, und es liegt an der betroffenen Person, ihn zu gehen. Der Moment, in dem der Betroffene mit seiner ganzen Geschichte zum ersten Mal mit dem Dienst in Kontakt kommt, ist jedoch entscheidend. Ein Betroffener sagt: „Ein gut gemachter Empfang spart Zeit und Geld, und das ist der Punkt, an dem sich alles entscheiden kann.“
Im Anschluss an die Forschungsarbeit „Armut – Identität – Gesellschaft“ führten ATD Vierte Welt und Partner folgendes Projekt durch: Mit MitarbeiterInnen eines regionalen Sozialdienstes und Personen mit Erfahrung in Sozialdiensten, wurde ein Raum für gemeinsame Reflexionen geschaffen. Die Fachkräfte hatten den Eindruck,
„dass wir uns in zwei verschiedenen Welten befanden, mit vielen Schwierigkeiten, miteinander zu sprechen und einander zu verstehen“.
Dadurch wurde ihnen bewusst, wie sehr ihre eigene berufliche Realität von jener der Betroffenen abweicht und dass die Betroffenen möglicherweise noch hilfloser sind, als sie dachten.
Ein weiterer Aspekt, der aus diesen Treffen hervorging, war das Gefühl der Hilfesuchenden, „sich entblössen und alle Macht abgeben zu müssen“. Wenn sie bei einem ersten Gespräch mehr als ein Dutzend Dokumente vorlegen und eine Vollmacht unterschreiben müssen, die den Sozialdienst ermächtigt, alle Informationen im Zusammenhang mit ihrer persönlichen und finanziellen Situation einzuholen, fühlen sich die Betroffenen ihrer Handlungsfähigkeit beraubt. Den Fachkräften, die an diesem Projekt teilnahmen, war dieses Gefühl der Entmündigung nicht bewusst – oder es schien ihnen „das Mindeste zu sein [solche Informationen bereitzustellen], wenn man Hilfe vom Staat haben will“. Dies ist ein gutes Beispiel für die Diskrepanz und der Überlegenheit der einen Welt über die andere: „Wenn ich schon nach dem ersten Treffen erfahre – denn ich kann überall Informationen einholen –, dass die Person nicht alles gesagt oder gelogen hat, kann ich ihr später nicht mehr vertrauen.“
Natürlich werden bestimmte Informationen im Rahmen eines Sozialhilfeantrags rechtmässig verlangt. Aber die Tatsache, dass man bereits beim ersten Termin und in einem Klima des Verdachts sehr persönliche Informationen liefern muss, „bricht“ die Person und wirkt sich auf sie und ihr Umfeld aus. Betroffene berichten, dass sie unter Druck stehen, all diesen Anfragen nachkommen zu müssen, ohne dass sie den Grund dafür sehen und ohne jegliche Kontrolle darüber, was mit diesen Informationen geschieht. Sie berichten oft, dass sie sich nicht verstanden fühlen, keine gemeinsame Basis finden und von vornherein verurteilt werden, was sie manchmal dazu veranlasst, auf ihre Rechte zu verzichten.
Dies zeigt, wie wichtig es ist, die Betroffenen einzubeziehen, um nach bewährten Praktiken zu suchen und sinnvolle Veränderungen mitzugestalten. „Wahres Gold schlummert in unseren Diensten: das Wissen, die Ideen und die Vorschläge jener Menschen, die Hilfe in Anspruch nehmen.“