Wohnen und Armut

Bild von Urs Kehl, 2020

Toebeli, Flawil SG, 2020. Bild von Urs Kehl, langzeitiger Volontär, gemahlt

13 AktivistInnen aus Basel, Bern, Flawil, Genf, Rorschach, Urnäsch und Winterthur nahmen am 8. Juni 2024 an der ersten Deutschschweizer Volksuniversität im Treffpunkt Vogelsang Winterthur teil. Die Grundfrage lautete: „Was sind für armutsbetroffene Menschen die elementaren Grundbedürfnisse beim Wohnen?“

Aus den Vorbereitungstreffen mit den AktivistInnen kristallisierten sich eine Reihe von Aspekten heraus, die wir an der Volksuniversität Vierte Welt diskutierten. Das Treffen bestand aus fünf Hauptteilen: Zusammentragen der Schwerpunkte im Plenum, Vorstellung der von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) formulierten Grundsätze zum Thema Wohnen; ein Austausch in Kleingruppen und im Plenum; die Schaffung eines gemeinsamen Kunstwerks; und ein Moment der Auswertung.

Aus der Reflexion in Kleingruppen wurden im Plenum folgende Punkte hervorgehoben:

  • Wohnen bedeutet für mich: ich komme heim, ich fühle mich sicher und geborgen. Ich kann die Welt hinter mir lassen und finde einen Rückzugsort.
  • Ich kann mit meinem Nächsten zusammen kommen. Ich finde einen Raum, wo ich als Familie sein kann – eine familienfreundliche Wohnlage.
  • Für mich muss eine Wohnung bezahlbar sein.
  • Ein guter Vermieter oder eine gute Vermieterin ist einiges wert. Mit dem/der VermieterIn auf Augenhöhe sein ist wichtig.
  • Sicherheit bedeutet auch, keine Angst haben müssen wegen Unfallgefahren oder Gesundheitsschäden (z.B. durch Schimmel, Strassenlärm, Feinstaub).
  • Für mich sind gute NachbarInnen und eine gute Durchmischung der Nachbarschaft wichtig.

Die Grundsätze der SKOS zum Thema Wohnen sind in einem Dokument mit dem Titel „Wohnen – aktuelle Herausforderungen und Handlungsansätze“ zusammengefasst. Darin werden vor allem die Wohnkosten, die Qualität der Wohnung und Sicherheitsaspekte hervorgehoben. Es wird auch betont, dass es kostengünstigen Wohnraum braucht sowie individuelle Wohnbeihilfen für Personen, die sich in einer prekären finanziellen Situation befinden.

Im Plenum wurden die oben genannten Punkte vor dem Hintergrund weiterer Themen und Fragen diskutiert: 

  • Wir wissen, dass in vielen Städten Wohnungsnot herrscht und die Schwierigkeiten eine passende und bezahlbare Wohnung zu finden gerade für die armutsbetroffene Bevölkerung zunehmen. Um uns gegenseitig zu stärken, fragen wir bewusst nach guten Erfahrungen. 
  • Was an meinen Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Wohnen könnte für die anderen interessant und hilfreich sein?
  • Um eine geeignete Wohnung zu finden, ist es enorm hilfreich, ein gutes Netzwerk zu haben. Man soll sich nicht verstecken, sondern allen sagen, was für eine Wohnung man sucht.
  • Wertvoll sind niederschwellige Beratungsangebote, wo man sich informieren und unter anderem auch Hilfe bei der Bezahlung einer Mietkaution erhalten kann. 
  • Es ist wichtig, seine Rechte zu kennen. Nur so kann man für seine Mietrechte einstehen und sich nötigenfalls wehren. 
  • Um das Vertrauen eines Vermieters zu gewinnen, reicht eine Mietkaution oftmals nicht. Mehrere Personen berichten von positiven Beispielen, dass eine Person aus ihrer Familie oder ihrem Umfeld für sie finanziell gebürgt hat, damit sie einen Mietvertrag abschliessen konnten.
  • Als es um die Schritte ging bis zum Vertragsabschlusses, bemerkte ein Teilnehmer: „Bei uns im Appenzellerland ist ein Handschlag noch etwas wert!“
  • Glücklicherweise gibt es auch noch Vermieter, die nicht nur auf den Gewinn schauen. Dies ist das Prinzip von Genossenschaften. Aber wir hörten im Plenum auch Berichte, wo private Vermieter Menschen in Not eine Wohnung zu einem fairen Preis angeboten haben. Welch ein Glück, wenn man so eine Wohnung erhält. „Wir sind dann auch sehr dankbar für eine solche Wohnung,“ ergänzte eine Aktivistin.

Ein gemeinsames Kunstwerk wurde anschliessend in Zusammenarbeit mit Zully, einer kolumbianischen Künstlerin, geschaffen. Es war beeindruckend, mit welcher Begeisterung und Engagement alle aktiv mitwirkten. Es ging darum mit Kaffeekapseln ein Kunstwerk herzustellen, und es ist jetzt im Treffpunkt Vogelsang ausgestellt.

In der Auswertung, die das Treffen abschloss, wurden zwei besondere Punkte hervorgehoben. Zum einen, dass sich die Teilnehmenden gut vorstellen können, wieder einmal eine deutschsprachige Volksuniversität durchzuführen – nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zur zweisprachigen im nationalen Zentrum in Treyvaux. Und dass die Arbeit in einer kleineren Gruppe ohne Übersetzungskopfhörer zu einer angenehmen vertrauten und auch weniger anstrengenden Atmosphäre führte.

Dank: Wir möchten es nicht unterlassen all denen, die sich bei der Vorbereitung und der Durchführung dieser gelungenen Volksuniversität engagiert haben, ganz herzlich zu danken. Es sind dies Markus Grob, Virginia Hauptlin, Edith Weisshar und die kolumbianische Künstlerin Zully. 

Brigitt Aepli, Verbündete von ATD Vierte Welt

Claude Hodel, Co-Präsident des Vereinsvorstands