Welche Bedingungen für echte Partizipation?

Lisa Kesselring, Volksuniversität in Treyvaux, 2022

Lisa Kesselring während einer Volksuniversität Vierte Welt in Treyvaux im Jahr 2022

Lisa Kesselring hat im Rahmen ihres Studiums an der Berner Fachhochschule von Juli 2021 bis Juni 2022 ein Praktikum bei ATD Vierte Welt Schweiz in Treyvaux und Rorschach absolviert. Im Folgenden nimmt sie Stellung zu diesem für das Funktionieren der Bewegung so wichtigen Element: der Partizipation.

Niemand kann es besser wissen

ATD Vierte Welt fiel mir schon früher ins Auge. Damals versuchte ich mich dort um eine Stelle zu bewerben, was jedoch abgelehnt wurde. Als ich dann mein zweites Praktikum für das Studium sozialer Arbeit absolvieren musste, meldete ich mich erneut. Ich sah in ATD Vierte Welt die Möglichkeit, dass ich meine Profession so leben kann, wie ich sie leben möchte. Nicht aus der Distanz, nicht mit zu wenig Zeit um die Lebenswelt der Menschen genauer verstehen zu lernen, welche ich auch zukünftig zu begleiten gedenke. Für mich war der Gedanke, dass mein Auftrag von einer anderen Person definiert werden könnte, als den Menschen, die es direkt betrifft, einfach nur absurd. Schliesslich kann niemand es besser wissen, als die Menschen, die es direkt betrifft.

Mit den Menschen kollegial zusammenarbeiten

Das Praktikum bei ATD Vierte Welt gab mir die Freiheit an der Seite von Menschen zu arbeiten, ohne den Eindruck zu erwecken, dass ich in irgendeiner Weise in meinem Wert abgehoben zu den anderen stehe. Die Möglichkeit mit den Menschen kollegial zusammenzuarbeiten, welche sonst oft in eine „Klientenrolle“ gepresst werden, erscheint mir persönlich einer zu sein, welcher Autonomie fördert. Eine Aufgabe, welche sich soziale Arbeit auf die Fahne geschrieben hat und doch erscheint sie mir manchmal den Träumen der Menschen, die sie begleitet die Flügel zu stutzen.

Dinge mit anderen Augen sehen

Bei ATD Vierte Welt durfte ich als Teil eines Teams die Bewegung mitprägen und habe selbst wieder vieles mitnehmen dürfen. Gerade in der Frage nach Partizipation musste ich feststellen, dass

der Grad an Partizipation oft von Machtpositionen und Institutionen bestimmt wird. Was eigentlich schon wieder gegen den Anspruch, den Partizipation an sich hat, spricht.

Denn diese beginnt nicht erst, wenn alle Entscheidungen bereits gefällt wurden und es nur noch um die Umsetzung geht. 

Es ist faszinierend, wie oft man sich mit bestimmten Themen auseinandersetzen kann und doch nie wirklich auslernt. Überall gibt es eine nächste Lektion, die auf uns wartet und ich bin dankbar dafür, dass mich die ganzen Austausche immer wieder dazu bringen, Dinge mit anderen Augen zu sehen. Ich werde die Bewegung und die Menschen, denen ich begegnet bin immer in guter Erinnerung behalten und es freut mich sagen zu dürfen, dass es nicht dabeibleibt. Als Verbündete der Bewegung werde ich Teil des Redaktionskomitees für die www.atd.ch Website und für die Informationen ATD Vierte Welt Zeitung, und bleibe auf diese Weise der Bewegung erhalten.

Lisa Kesselring, Studentin an der Berner Fachhochschule und ATD Vierte Welt Praktikantin in Treyvaux und Rorschach