Weihnachtsbotschaft 2022

Ingrid Rebergen, 6 Jahre alt
Kaum angekommen mit dem Bus, der seine Familie zu einem Sommeraufenthalt im Begegnungshaus gebracht hat, rennt Eric bereits den Schmetterlingen nach, die im Garten um den Lavendel flattern. „Mama, mir gefällt es hier!“ Eric ist sechs Jahre alt und schnell spüren wir, wie wichtig ihm seine Mutter ist. „Mein Mami weiss ganz viel!“ Und Ferien sind eine Zeit, um zusammen zu sein. Eric hat immer ein Auge für das, was um ihn herum geschieht. „Wo sind die Besen?“ fragt er, als er sieht, dass seiner kleinen Schwester etwas vom Teller gefallen ist.
Auf der Höhe dieser Kinder sein, die Verantwortungen tragen, welche sie schnelle, allzu schnell, gross werden lassen und die unbedingt ernst genommen werden wollen, denn sie wissen ja schon so viel vom Leben.
Eric kann die Leute, die ihn umgeben, herausfordern. Manchmal wird er zornig, kippt das Spiel, verwirft sein liebstes Buch. Von den Vorschulen seiner Stadt ist er weggewiesen worden, man hat ein Heim finden müssen für ihn. SeineMutter sieht ihre eigene Kindheit wieder vorbeiziehen, unverstanden, im Heim und dann auf der Strasse. Sie hatdoch gehofft und alles getan, damit Eric in der Familie mit seinen kleinen Geschwistern aufwachsen kann! „Wir haben Freddy vergessen!“ Eric lässt alle warten, bis er sicher ist, dass auch sein kleiner Bruder auf dem Gruppenfoto vom letzten Ferientag nicht fehlt!
Noé und seine Familie sind in diesem Sommer auch da. Noé ist ein kleiner zweijähriger Bub, der alle fröhlich versammelt: die grossen Schwestern, Mutter, Grossmutter und Grossvater.
Als wir sie im Herbst besuchen, sagt uns die Mutter, wie erschöpft sie ist. Sie hat der Krippenleiterin erklären müssen, dass sie kritische Bemerkungen betreffend Noé zuerst selber hören und sie nicht über andere Dienststellen erhalten will. Zudem hat sie die Kündigung ihrer Wohnung erhalten – der Besitzer will sie zurück. Sie weiss aus Erfahrung, dass, falls sie auf der Strasse landet, Noé ihr weggenommen wird, wie schon ihre beiden älteren Kinder.„Das wäre das Schlimmste in meinem Leben!“ Ist es doch ihr ganzer Stolz, dass sie ihren Sohn seit seiner Geburt bei sich haben kann.
Eine Solidarität entsteht um sie herum. Zuerst jene der Grossmutter, die an mehreren Orten ein neue Wohnung sucht. Und auch von Berufspersonen: Die Kinderpflegerin telefoniert der Mutter, auch ausserhalb der Arbeitszeiten, fragt wie es geht und sorgt sich um die Wohnungssuche. Eine junge Juristin, die ständige Mitarbeiterin unserer Bewegung geworden ist, setzt sich mit der Familie ein: „Von den Menschen lernen. Sich Zeit nehmen und beobachten, ohne zu urteilen. Sich mit der betroffenen Person weiterbilden, um sie richtig zu begleiten.“
Es ist dringend, dass wir zu Beginn dieses Winters, der schwierig werden kann, die Formen der Armut, die zahlreiche Familien in unserem Land treffen, besser verstehen.
Die Unwissenheit brechen, nicht nur dort, wo abgestellte Heizungen schlimm sein können, sondern auch dort, wo noch tiefer gehende Bindungen in Familie und Gesellschaft zerstört werden.
Weihnachten wird schön sein. Die Hoffnung der Familie von Noé auf eine neue Wohnung stützt sich auf aktive und vielversprechende Solidarität.
Weihnachten wird schön sein. Jedes Kind schafft Beziehungen, die seinen Eltern Kraft geben, um weiterzumachen, zu kämpfen und zu hoffen.
Weihnachten wird schön sein mit Ihnen allen, die Beziehungen voller Würde und Menschlichkeit aufbauen.
Corinne Martin, Co-Präsidentin
Anne-Claire Brand, Schweizerische Koordination
ATD Vierte Welt unterstützen:
Direkt online spenden
PC 17-546-2
ATD Vierte Welt
1733 Treyvaux
IBAN: CH64 0900 0000 1700 0546 2
BIC: POFICHBEXXX