Vir Pintó Muñoz, „mit einem Fuss bei den Vereinten Nationen, mit einem Fuss in den Quartieren“

© Vir Pintó Muñoz

Die 24-jährige Vir Pintó kämpft dafür, dass die Entscheidungen internationaler Institutionen nicht mehr so weit von der Lebenswirklichkeit der ärmsten Menschen entfernt sind.

Vir Pintó Muñoz ist in der Lage, ein Gespräch in ihrer Muttersprache Spanisch zu beginnen, es auf Französisch fortzusetzen und auf Englisch zu beenden. Sie kann ihren Tag auch im Palais des Nations, dem Sitz der Vereinten Nationen in Genf, beginnen und ihn mit einem Treffen mit einer jungen Aktivistin von ATD Vierte Welt, die sie begleitet, beenden. Die Diversität macht ihr keine Angst und sie scheint einen unstillbaren Durst nach neuen Erfahrungen zu haben.

Seit ihrem 16. Lebensjahr nimmt sie an zahlreichen Aktivitäten von ATD Vierte Welt in Madrid teil: Festivals des Wissens und der Künste, Strassenbibliotheken, Volksuniversitäten. Später übernahm sie die Leitung der Jugendbewegung in der spanischen Hauptstadt. Während der Vorbereitung eines Doppeldiploms in internationalen Beziehungen und Politikwissenschaften vertiefte sie ihre Kenntnisse über die Bewegung, insbesondere durch eine Ausbildung im Bereich der Verknüpfung von Wissen und Praxis in Lateinamerika. So lernte sie diesen Ansatz kennen, der einen Dialog zwischen den Erfahrungen von Menschen, die von Armut betroffen sind, und der Wissenschaft und den Fachleuten ermöglicht. Je mehr Menschen sie trifft, desto mehr spürt sie in ihrem Inneren den Wunsch, „die Realitäten der Bewegung zu entdecken“.

Ein einschneidendes Erlebnis

Im Jahr 2020 begleitet sie eine Gruppe von Jugendlichen aus Madrid, die Mitglieder von ATD Vierte Welt sind, auf einer Reise nach Paris. Bei einem Besuch des internationalen Zentrums der Bewegung in Méry-sur-Oise hat sie ein Schlüsselerlebnis, das sie später zu weiterem Engagement motiviert. Eine der Jugendlichen, Paula, Tochter einer Vierte-Welt-Aktivistin in Spanien, stellte sich vor, und eine ständige Volontärin des Zentrums bemerkte: „Ich kenne deine Mutter gut, sie ist eine der beeindruckendsten Frauen, die ich je kennengelernt habe.“

Paula, die damals in einer komplizierten Situation lebte und es schwer hatte, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, war sehr gerührt, als sie erfuhr, dass Tausende Kilometer von ihrem Zuhause entfernt Menschen stolz darauf waren, ihre Mutter zu kennen, und dass es sogar Fotos von ihr gab. „Sie hat entdeckt, dass das, was wir in Madrid tun, viel mehr bedeutet, als sie dachte, und das war sehr schön. Heute ist sie fast 18 Jahre alt und hat den Kampf ihrer Mutter in Madrid mit aller Kraft wieder aufgenommen. Es ist wunderbar zu sehen, wie der Lebensweg eines jungen Mädchens verändert werden konnte“, stellt Vir Pintó Muñoz fest.

Der Gedanke, sich im Volontariat zu engagieren, reizte sie immer mehr, machte ihr aber auch ein wenig Angst. „Ich kannte damals nur VolontärInnen, die seit mindestens 20 Jahren dabei waren, die in viele Länder gereist waren und ihr Leben um dieses Engagement herum aufgebaut hatten. Ich selbst war aber nicht bereit, mein ganzes Leben weit weg von Madrid, wo ich immer gelebt habe, zu planen.“ Aber sie versteht nach und nach, dass „die Wege des Volontariats vielfältig sind“, dass es für sie eine weitere Etappe auf ihrer Entdeckung von ATD Vierte Welt ist, aber nicht unbedingt die letzte.

Also wagt sie im September 2022 den Schritt und verlässt Madrid, um sich dem Team von ATD Vierte Welt bei den Vereinten Nationen in Genf anzuschliessen. Sie legt Wert darauf, auch Aktivitäten mit dem lokalen Team zu unternehmen. „In meinem Studium habe ich viel darüber gelernt, wie Institutionen funktionieren und wie sie Entscheidungen treffen, und dabei oft sehr weit von der Realität und vor allem vom Alltag der ärmsten Menschen entfernt sind. Für mich war es unvorstellbar, mit 22 Jahren bei den Vereinten Nationen zu sein, ohne einen Bezug zu den von Armut betroffenen Familien zu haben und ohne „mit einem Fuss in deren Quartieren zu stehen“, erklärt sie.

„Wir sprechen nicht über Statistiken“

In ihrem täglichen Leben ist sie an der Ausarbeitung von Berichten über Menschenrechtsverletzungen in verschiedenen Ländern der Welt beteiligt. Sie arbeitet mit lokalen Teams zusammen, um zu dokumentieren, wie die Rechte ärmster Menschen verletzt werden, und um dem Menschenrechtsrat, der Empfehlungen zur Durchsetzung von Gesetzen abgeben soll, konkrete Beispiele zu liefern. Sie setzt sich dafür ein, dass die Ärmsten in den verschiedenen UN-Gremien, bei Verhandlungen und in den Texten vertreten sind. „Wir versuchen zu zeigen, dass wir nicht über Statistiken sprechen, sondern vielmehr über die sehr konkrete Realität der Menschen, die uns sehr nahe sind, und zwar überall auf der Welt.“

Sie trägt auch die Botschaft von ATD Vierte Welt rund um Fragen der Umwelt weiter. „Bei der UNO wird viel über Armut gesprochen, aber meistens geht es um den Süden. Wir müssen immer wieder daran erinnern, dass auch in den reichsten Ländern arme Menschen leben und dass es selbst in Frankreich oder den USA Menschen gibt, die bereits unter den Folgen des Klimawandels leiden“, betont sie.

Vir Pintó Muñoz sieht das ständige Volontariat heute als „ein intensives Mega-Projekt, das ein erfülltes Leben bedeutet, in dem man eine unglaubliche Community kennenlernt und riesige Glücksmomente erlebt. Man lernt ständig, dass es im Leben der Ärmsten nie etwas Beständiges gibt. Es ist das Miterleben von frappierenden, manchmal erschütternden Realitäten, aber vor allem die ständige Suche nach dem besten Weg, um gemeinsam voranzukommen.“

Dieses Porträt ist ein Auszug aus dem Journal von ATD Vierte Welt vom April 2024 (in Frankreich veröffentlicht).

Übersetzung von Petra Lackner