Medienmitteilung

Medienmitteilung - 11.04.2023

Zehn Jahre nach der Bitte der Schweizer Regierung um Entschuldigung an die ehemaligen Verdingkinder und andere Opfer der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen, die von den Behörden des Landes am 11. April 2013 ausgesprochen wurde

1.

Anlässlich des zehnten Jahrestags der staatlichen Anerkennung des Leids, das bis 1981 Zehntausenden von Kindern und Erwachsenen zugefügt wurde, von denen die meisten in Armut lebten und ungerechtfertigterweise ihren Angehörigen weggenommen worden waren und vernachlässigt wurden, präsentiert die Bewegung ATD Vierte Welt die Ergebnisse einer vierjährigen Forschungsarbeit, die von Menschen mit Armutserfahrung, Fachleuten und WissenschaftlerInnen nach der Methode des Wissen-Kreuzens durchgeführt wurde. Der Forschungsbericht trägt den Titel:

Beziehungen zwischen Institutionen, der Gesellschaft und Menschen in Armut in der Schweiz: eine Gewalterfahrung, die weitergeht

2.

Unterstützt vom Bundesamt für Justiz hat sich ATD Vierte Welt die Aufgabe gestellt, zu verstehen, wie, 40 Jahre später, die heutigen Beziehungen zwischen Menschen, die – oft von Generation zu Generation – in Armut leben, der Gesellschaft und den Institutionen aussehen.

Ich habe das Recht, meine Kinder zu sehen und darum zu ersuchen, sie öfter bei mir zu haben. Aber ich sage ‹ich würde sie gerne öfter sehen›, weil eben das Jugendamt und der Heimleiter eine Etage über mir sind und ich Angst habe, dass, wenn ich sage ‹ich habe das Recht, sie öfter zu sehen›, ich noch weiter in die Ecke gedrängt werde.

Erfahrungswissen der Armut 

Angesichts der Tatsache, dass die Gewalterfahrungen weitergehen, haben sich Fachleute aus verschiedenen Bereichen mit den Autorinnen und Autoren der Forschungsarbeit getroffen und gemeinsam Handlungsmöglichkeiten erarbeitet, die dazu beitragen sollen, dass solche Ungerechtigkeiten nie wieder vorkommen. 

Der Bericht ist sehr reichhaltig und stark, insbesondere die Beiträge der Menschen, die in Armut leben. Es war ein Schlag ins Gesicht für mich, das zu lesen. Der erste Reflex, wenn man in der Sozialpolitik das Sagen hat, ist, die Realität zu leugnen oder sich zu rechtfertigen. Der Beitrag der armutserfahrenen Personen in diesem Bericht ist sehr prägend.

Externe Fachperson an einer Dialog-Veranstaltung 

3.

Die Erkenntnisse, die notwendigen Entwicklungen und Möglichkeiten zu deren Umsetzung werden am 9. Mai 2023 im Nationaltheater in Bern anlässlich des Kolloquiums „Armut – eine Endlosschleife: welche Verantwortung für unsere Gesellschaft?“ vorgestellt. Das Kolloquium wird von ATD Vierte Welt organisiert und von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider, Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, eröffnet.

Unser Beitrag: Dass man Armut nicht einfach als individuelles Problem anschaut, sondern als strukturelles Problem. Als gesellschaftliches Problem, das eng zusammenhängt mit Ungleichheit und Macht, die reproduziert werden, gesellschaftlich, von Generation zu Generation.

Wissenschaftliches Wissen 

Medienkontakt: Tel. 026 413 11 66 und/oder perry.proellochs@atd.ch

Nationales Zentrum ATD Vierte Welt – Crausa 3 – 1733 Treyvaux – Tel. 026 413 11 66 

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