Medienmitteilung

Couverture rapport PIS - ALL

Zehn Jahre nach der Bitte der Schweizer Regierung um Entschuldigung an die ehemaligen Verdingkinder und andere Opfer der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen: Wo stehen wir heute?

Das von der Bewegung ATD Vierte Welt organisierte Kolloquium „Endlosschlaufe Armut: welche Verantwortung für unsere Gesellschaft?“ hinterfragt das Versprechen der Behörden aus dem Jahr 2013: „So etwas darf nie wieder passieren“.

Frau Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider, Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, wird das Kolloquium einleiten, das am 9. Mai 2023 von 13:15 bis 17:15 Uhr im Hotel Theater National in Bern stattfindet.

Hintergrund und Herausforderungen des Kolloquiums

Weiterhin begegnet ein Grossteil der Gesellschaft der Realität von Armut in der Schweiz mit Unverständnis und blendet diese aus. Die Rechte und die Handlungsmöglichkeiten der Menschen in Armut werden oft weiterhin ohne rechtliche Grundlage eingeschränkt. Damit einher geht eine kontraproduktive administrative Kontrolle bei der Ausrichtung sozialer Leistungen ebenso wie bei der Durchführung von Massnahmen des Kindes- und Erwachsenenschutzes. 

Das Kolloquium „Endlosschlaufe Armut: welche Verantwortung für unsere Gesellschaft?“ stellt sowohl einen Höhepunkt als auch ein Sprungbrett dar. Es ist der Höhepunkt eines Forschungsprozesses, der durch zahlreiche Dialoge und Kooperationen Engagements aus verschiedenen Bereichen – insbesondere aus rechtlichen, wissenschaftlichen, sozialen, politischen und institutionellen Bereichen – hervorgerufen und zusammengeführt hat. Und er ist ein Sprungbrett für die Übernahme neuer Verantwortungen bei der effektiven Umsetzung der notwendigen Entwicklungen damit sich die Geschichte für diejenigen, die heute von Armut betroffen sind, nicht wiederholt, damit das „Nie wieder“ endlich Tatsache wird.

Eine vierjährige Forschung nach der Methode des Wissen-Kreuzens

Von 2019 bis 2023 hat ATD Vierte Welt eine partizipative Forschung mit dem Titel „Armut – Identität – Gesellschaft“ durchgeführt. Diese Forschung wurde vom Bundesamt für Justiz im Rahmen des Bundesgesetzes über fürsorgerische Zwangsmassnahmen finanziell unterstützt. Nach der Methode des „Wissen-Kreuzens“ erarbeiteten Personen mit Armutserfahrung sowie Personen aus Wissenschaft und Berufspraxis erstmals in der Schweiz ein gemeinsames Wissen, das im Forschungsbericht „Beziehungen zwischen Institutionen, der Gesellschaft und Menschen in Armut in der Schweiz: eine Gewalterfahrung, die weitergeht» vorgestellt wird.

Das Kolloquium „Endlosschlaufe Armut: welche Verantwortung für unsere Gesellschaft?“ stellt diese Forschungsarbeit vor und konzentriert sich dabei auf die wichtigsten Erkenntnisse, die sie hervorgebracht hat, darunter die folgenden vier Mechanismen, die eine wichtige Rolle dabei spielen, dass Armut von Generation zu Generation fortbesteht:

  • Ignoranz und Unverständnis in der Gesellschaft;
  • Dysfunktionieren der Institutionen;
  • Identitätsbildung der in Armut lebenden Menschen unter diesen Bedingungen;
  • Fortbestehen der Armut von Generation zu Generation.

Das Kolloquium macht schliesslich einige Ansätze für notwendige Veränderungen greifbar und hebt dabei drei Grundvoraussetzungen hervor:

  • Die Armut erkennen, verstehen und anerkennen, gemeinsam mit Menschen, die sie erleben;
  • Die Handlungsmacht von Menschen, die von Armut betroffen sind, sowie von Menschen, die sich innerhalb und ausserhalb von Institutionen mit ihnen engagieren, erlangen und stärken;
  • Den Wandel gemeinsam gestalten, indem Menschen mit Armutserfahrung direkt in jede Initiative in diesem Bereich einbezogen werden.

Medienkontakt: Tel. 077 446 99 28 und/oder perry.proellochs@atd.ch

Nationales Zentrum ATD Vierte Welt – Crausa 3 – 1733 Treyvaux – Tel. 026 413 11 66 

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