Auch dieses Jahr bringt «Kunst auf der Strasse» die Lebensgeschichte, die Erfahrungen und die Gedanken der Bewohner Rorschachs künstlerisch zum Ausdruck.

Als Projekt der Bewegung ATD Vierte Welt, haben die Veranstaltungen zum Ziel: Menschen mit unterschiedlichem sozialem und kulturellem Hintergrund zusammenbringen, um über Armut und soziale Ausgrenzung nachzudenken, zu lernen und zu handeln.

Vor allem aber soll «Kunst auf der Strasse» den Menschen Hoffnung geben und ein Bewusstsein dafür schaffen, dass ihr Beitrag benötigt wird.

Agnes Dumas und Urs Kehl, verantwortlich für die Aktivitäten in Rorschach

Kunst ist ein Terrain für Begegnungen

Guendouz Bensidhoum, Kunstmaler aus Paris: Ich lege besonderen Wert auf das künstlerische Schaffen – auf alle künstlerischen Aktivitäten – und jeden Tag wird mir bewusst, dass dies ein hervorragendes Mittel ist, um Menschen zu begegnen.

Ich habe ziemlich oft Stadtansichten gemalt. Dabei entdeckte ich, dass die Menschen ihre Stadt lieben. Ausserdem waren sie erstaunt, dass jemand aus Paris hierher kommt und sich für ihre Stadt interessiert. Kunst ermöglicht es, ohne es zu sagen, zu zeigen, wie wichtig der Ort der Menschen ist und wie anders er gesehen werden kann.

Hier experimentiere ich jeden Tag. Es reicht nicht, sich auf die Strasse zu stellen, man muss auch offen sein, um den Menschen wirklich zu begegnen. Aber die Leute sind trotzdem im Allgemeinen kunstbegeistert. Sie sind immer daran interessiert, Kreationen und Werke zu entdecken, insbesondere Werke, die vor ihren Augen entstehen.

Es fasziniert mich immer wieder zu sehen, wie Kunst die Menschen anzieht. Die Leute hier haben uns schon mehrmals angesprochen. Sie schauen sich die Arbeit an, die wir machen. Und sie sagen zum Beispiel: «Ist das zu verkaufen?» Wir sagen: NEIN. Aber durch ihre Fragen entdecken wir, dass dieser Moment für sie sehr wichtig ist.

Während der Tage, die wir gemeinsam in der Nachbarschaft gearbeitet haben, habe ich mich gefreut zu sehen, wie sehr sich auch Erwachsene für das Gestalten interessieren. Das ist sehr interessant, weil man sich nicht von vornherein vorstellen kann, dass sie malen wollen.

Ich denke an eine Mutter, die diese Woche ihre Tochter begleitet hatte und ihr half, mit dem Malen anzufangen. Danach hat sie auch selbst gemalt.

Und ein anderes Mal hat eine Mutter mit dem Malen angefangen. Es war umgekehrt. Das Kind kam und hinderte die Mutter daran, allein zu malen. Es war schön zu sehen, wie sie gemeinsam ein Werk schufen.

Man denkt, Kunst und Kreation seien ein Terrain, das Kinder für sich beanspruchen. Aber in Wirklichkeit ist das nicht so. Auch die Eltern sind interessiert. Aber man muss die Bedingungen dafür schaffen, dass sie sich weiterentwickeln und etwas wagen können.

Guendouz Bensidhoum

Etwas beitragen können

Man darf, auch wenn wenig Geld vorhanden ist, etwas Handwerkliches machen. Das kann mit alten Sachen sein, das kann mit neuen sein. Aber man darf, das habe ich bei ATD gelernt.

Das positive ist, dass ich immer mal wieder zeigen durfte, was ich machen kann. Sei es beim Kochen oder beim Stricken oder von Hand nähen. Dass auch das einmal gezeigt wird, weil für mich ist das auch eine Art von Malen und Kunst .

Bilder sprechen – Es lohnt sich zu kämpfen

Ich habe sofort einen Mund gesehen, der ein Kreuz darüber hat. Das hat für mich geheissen: Man hat kein Recht zu sprechen. Und Guendouz hat dann ein Blatt dahinter gezeichnet. Man sieht die Hände, die Finger …. und das Blatt wird zerrissen. Für mich, der Grund war: Es lohnt sich zu kämpfen. Es lohnt sich auch, einige Sachen für die Kinder als Chance anzusehen. Es ist nicht nur alles negativ, auch im Zusammenhang mit der Schule.

Auch wenn es hart ist, man sollte – oder muss sogar – kämpfen. Ich weiss, man braucht Kraft. Aber aus eigener Erfahrung weiss ich, dass sich dieser Kampf lohnt. Auch Sachen im Zusammenhang mit der Schule. Es gibt einige Sachen, die man als Chance ansehen muss, auch wenn man vielleicht nicht ganz immer einverstanden ist.

Gaby Feldhaus