Freuden und Herausforderungen von lokalen ATD-Gruppen
Neben dem nationalen Zentrum in Treyvaux und den drei „Sektoren“, die in Rorschach, Genf und Basel angesiedelt sind, gibt es in der Schweiz mehrere lokale Gruppen von ATD Vierte Welt – in den Kantonen Bern, Freiburg, Jura, Neuenburg und Zürich. Diese kleinen Teams haben natürlich alle ihre Eigenheiten. Aber sie teilen auch eine gemeinsame Geschichte, die von Herausforderungen, Fragen und Begeisterung geprägt ist – so wie es Barbara Elsasser hier beschreibt.
Wir waren einige wenige Verbündete und lebten in der Umgebung von Zürich, jede und jeder für sich. Und wir waren voller Entrüstung und gutem Willen! So taten wir uns schon ab Ende der 80er Jahre zusammen, trafen uns regelmässig und überlegten hin und her: Was bedeutet Armut hier bei uns? Was können wir tun? Wie erkläre ich ATD Vierte Welt? Was für eine Erleichterung und Freude, nicht mehr allein zu sein mit diesen Fragen! Aber es war schwierig, ein konkretes Engagement zu finden.
Die Vorschläge von „Treyvaux“ waren für uns damals nicht konkret genug! Da kam uns der 17. Oktober zu Hilfe. Mit diesem UNO-Welttag zur Überwindung der Armut begann für uns die Herausforderung der Öffentlichkeitsarbeit. Das bedeutet Kontakt mit unbekannten Menschen, die uns meist nicht verstanden. Wir begannen mit Infoständen usw. Und wir lernten dazu. Durch jede Frage, die wir nicht beantworten konnten, durch Kritik, aber auch durch Menschen, die positiv reagierten. So gut wie möglich suchten wir das Geld für unsere Tätigkeiten selber, was uns zu neuen Kontakten verhalf.
Gemeinsame Werte
Sehr hilfreich waren dann die Bildungstreffen für Verbündete. Am Anfang war das Welschland für uns fast unvorstellbar weit weg! Je mehr Zusammenarbeit und Vertrauen entstanden, desto näher rückte dieses Treyvaux und wurde vielen zu einem wichtigen Ort des Bekommens und Gebens, des Lernens.
Manchmal – besonders bei der Zusammenarbeit mit andern Organisationen – fragten wir uns: „Können wir das selber entscheiden? Ist das im Sinne von ATD?“ Richtlinie waren immer die gemeinsamen Werte. Es brauchte Mut zur Verantwortung. Wir wollten den ständigen VolontärInnen keine zusätzliche Arbeit machen, doch ein Austausch half weiter und war für alle fruchtbar. Fehler machen ist erlaubt, wenn man sie sich nachher eingesteht und davon lernt.
Wenn man nicht ständig mit Menschen in Armut Kontakt hat, ist es schwierig, sich nicht vom „normalen“ Alltag ohne Armut täuschen zu lassen: Ist es wirklich so schlimm in der Schweiz? Die Dynamik einer Gruppe und die grösseren Zusammenkünfte halfen, die Empörung zu behalten!
Wir waren nicht mehr allein!
Später erweiterten wir unsere Gruppe durch Menschen mit Armutserfahrung. Auch sie waren fern von andern Mitgliedern der Bewegung, wollten sich auch engagieren. Wir kannten einander von ATD Vierte Welt oder von Veranstaltungen mit andern Organisation. Daraus ergab sich ein neues Engagement: die Teilnahme an der Volksuniversität Vierte Welt und später sogar an der schweizerischen Armutskonferenz. Wir waren nicht mehr allein! Wir waren eine Gruppe, die sich gemeinsam auf etwas Grösseres vorbereitete, die Solidarität übte. Wir spürten uns gestärkt durch die gemeinsamen nationalen Ziele, die unserem Tun einen langfristigen Sinn gaben.
Meine Erfahrungen liegen schon etwas zurück, aber das gemeinsame Arbeiten an einem Ziel macht für mich heute noch Sinn und mit Menschlichkeit sind wir den Herausforderungen gewachsen.
Barbara Elsasser, Verbündete von ATD Vierte Welt, Zürich und Umgebung