Die Werkstatt Familie

Werkstatt Familie, Treyvaux, 10.02.2023

Die Werkstatt Familie („Chantier Famille“) ist eine internationale Forschungsarbeit, die seit 2021 läuft. Sie untersucht die Gründe der erschwerten Lebensbedingungen von Familien in prekären Verhältnissen. Die Folgen für die Kinder stehen darin im Mittelpunkt, um daraus für sie und ihre Familien wirksame, gesellschaftliche Veränderungen zu erwirken und so allen eine bessere Zukunft zu ermöglichen. In Europa sind sechs Nationen aktiv an der Forschungsarbeit beteiligt: Belgien, Frankreich, Grossbritannien, Polen, Spanien und die Schweiz.

In der Schweiz begann die Werkstatt Familie mit Online-Treffen zwischen Eltern, die hier bei uns Armut erleben, und anderen Eltern, die ähnliche Realitäten in Belgien (zwei Austausche) sowie in Québec und Frankreich (ein gleicher Austausch) erleben. In diesen Begegnungen wurden die täglichen Belastungen der von Armut betroffenen Familien thematisiert – und, sie haben vor allem gezeigt, wie unabdingbar es ist, sich im Kampf gegen die Armut gemeinsam zu organisieren. Nur so werden nachhaltige Veränderungen möglich.

Eine bessere Zukunft

Im Mai 2022 fand in Méry-sur-Oise in Frankreich, im internationalen Zentrum von ATD Vierte Welt, ein europäisches Treffen zu dieser Thematik statt. Delegationen von AktivistInnen aus den sechs oben erwähnten Nationen kamen zusammen, um ihre Erfahrungen auszutauschen und ihre Kräfte zu bündeln im Kampf für eine bessere Zukunft für Kinder, die in Armut leben. Ihre Diskussionen wurden durch Videokonferenzen mit Arbeitsgruppen in Kanada, den Niederlanden und den Philippinen bereichert. Ebenso nahmen AkademikerInnen aus jedem Land an den Diskussionen teil, um die Erfahrungen der AktivistInnen aufzunehmen und die Berichte daraufhin zu analysieren, wie die Anliegen in die betreffenden Institutionen unserer Gesellschaft eingebracht werden können. Das Hauptanliegen war es, Verbindungen und Schnittstellen zu jenen Personen zu schaffen, die eine Rolle in der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften spielen, die im Bereich der Armutsbekämpfung tätig sind.

In den nächsten Phasen werden die Teams in jedem Land ihre Erfahrungsberichte zu zweit bearbeiten. Dazu werden ihnen die Ergebnisse der Studie „Die verborgenen Dimensionen der Armut“ als Referenz und Arbeitsinstrument dienen. Durch den Austausch ihrer Erfahrungen wird sich jede und jeder in dem Kampf, den andere auch führen, wiedererkennen, sich weniger machtlos fühlen. Sie werden gemeinsam aufzeigen können, welche Veränderungen unabdingbar sind, für einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel.

Die Arbeitsgruppen werden sich im November 2023 wieder treffen. Dann werden sie sich damit befassen, wie die Ergebnisse ihrer Untersuchungen über die Familie am wirkungsvollsten kommuniziert und veröffentlicht werden können. Wir weisen darauf hin, dass diese Vorschläge für die Schweiz an die Forschungsarbeit „Armut – Identität – Gesellschaft“, die ATD Vierte Welt seit 2019 durchführt, anknüpft sind. Am 9. Mai 2023 wird diese Studie im Rahmen des Kolloquiums „Endlosschlaufe Armut: welche Verantwortung für unsere Gesellschaft?“ in Bern veröffentlicht.

Sieben junge Eltern

Die Forschung Werkstatt Familie wird in der Schweiz von zwei ständigen Volontärinnen des Teams von ATD Vierte Welt in Genf koordiniert. Sie werden von Florent Bambara und Aurélia Isoz, ebenfalls ständige VolontärInnen, begleitet. In Treyvaux organisieren sie zusammen mit sieben, von Armut betroffenen jungen Familien aus der französischen Schweiz gemeinsame Wochenenden. Während dieser Aufenthalte ist es möglich, erholsame Stunden in der Familie mit der Arbeit an der Forschung zu verbinden. Es entsteht grosse Solidarität und sie bestärken sich gegenseitig in ihrem gemeinsamen Einsatz für Respekt und ein würdevolles Leben mit ihren Kindern. Eine der Mütter spricht es klar aus

Ich habe den Eindruck zu schreien und trotzdem hört mich niemand.

Marina Arcos Arjona und Joana Jaquemet, ständige Volontärinnen bei ATD Vierte Welt in Genf

Übersetzung von Susanne Privitera