Begegnungen mit Nelly Schenker in Bern und in Ostermundigen
Entdecken Sie am Ende des Artikels das PDF-Dokument der Zeitschrift Frauenstimme über das Buch von Nelly Schenker
Bei zwei Veranstaltungen im März und im Juli dieses Jahres hat Nelly Schenker aus ihrem Buch Es langs, langs Warteli für es goldigs Nüteli vorgelesen. Dabei kam es zu spannenden Gesprächen.
Über 40 solcher Lesungen durften wir schon erleben, im ganzen Land, einige davon im Ausland. Sie sind jedes Mal sehr ergreifend. Nelly hat dafür ein eigenes Konzept erfunden. Wichtig ist ihr, dass es zu den Worten auch etwas Musik gibt, und vor allem, dass ein Dialog mit den Menschen im Saal entsteht. Und dass auch Eugen Brand als ehemaliger Generaldelegierter der internationalen Bewegung ATD Vierte Welt mit am Lesetisch sitzt, damit sich die Diskussion „auf die Nellys der ganzen Welt“ ausweitet.
Mit der Corona-Zeit wurde der Elan dieser Lesung arg gebremst. Nun durften wir wieder zwei davon erleben, im März in Bern, im spannenden Projekt DOCK8 der Kirchen, und im Juli in Ostermundigen, wo die Ortssektion der Grünen Partei uns eingeladen hat. Rund 30 Personen kamen nach Bern und 25 nach Ostermundigen.
Nelly lebt bei solchen Lesungen jedesmal neu auf, es gibt ihr Kraft, die Anwesenden sind ergriffen; sie erleben diese starke Frau als eine Überlebende. Oft kommen am Schluss Personen auf sie zu und vertrauen ihr an, dass sie eine ähnliche Geschichte selber erleben mussten und diese schwer auf ihnen lastete. Jedesmal hat es Personen, die mit ATD Vierte Welt in Kontakt bleiben wollen.
Das Wort „Selbstverantwortung“ löste an beiden Orten Betroffenheit aus: Nelly erklärte, wie sehr dieses Wort Menschen mit wenig Bildungschancen erniedrigen und tief verletzen kann. Sie besteht darauf, dass es in der Armutsbekämpfung um gegenseitige Verantwortung zwischen allen Menschen geht, um Mit-Verantwortung, in der Schule, in der Arbeitswelt, überall.
In Ostermundigen stand auch die Frage der Verantwortung für die Schöpfung, die uns heute alle sehr beschäftigt, im Raum. Es war eine Gelegenheit, von den Menschen in Armut zu lernen, wie gerade auch sie diese Frage schon lange auf ihre Art in sich tragen. Zum Beispiel als Nelly von ihren damaligen Spielgenossen als Kind sprach – den kleinen Mäusen im Keller. Sie musste dort in grösster Einsamkeit aufwachsen. Oft sind den Menschen in Armut auch Kanarienvögel, Katzen, Hunde, usw. äusserst wichtig. Manche fühlen diese als treuere und feinfühligere FreundInnen, als all die vielen Menschen, die sie wegstossen.
Nelly sagt auch, wie wichtig ihr das Malen von ganz verschiedenen Blumen geworden ist. Auch von verwelkenden Blumen.
„Es ist halt wie bei den Menschen, du musst sie hegen und pflegen, ihnen Wasser geben, damit sie im Leben aufblühen können. Die Ärmsten haben grossen Durst nach dieser Welt.“
Noldi Christen, ständiger Volontär von ATD Vierte Welt