Altersarmut als Schwerpunkt in meinem zukünftigen ATD-Engagement

Vincent Van Gogh, Portrait des alten Bauern Patience Escalier, 1888 (Bildausschnitt)

Vincent Van Gogh, Portrait des alten Bauern Patience Escalier, 1888 (Bildausschnitt)

In meinem langjährigen Engagement als Verbündete, in der Mitverantwortung der ATD-Projekte im Raum Basel, wurde ich neben dem Einsatz bei der Strassenbibliothek und anderen Aktivitäten stark mit der Realität der Armut im Alter konfrontiert.

Die persönliche Geschichte der von Armut betroffenen Menschen, ihre Lebenswege, geprägt durch eine schwierige Kindheit (für manche in Heimen und bei Adoptiveltern aufgewachsen), oft ohne Möglichkeit für eine Ausbildung, begleiten sie bis ins Erwachsenenalter. Als Eltern ohne genügend finanzielle Mittel, einer zu kleinen Wohnung und anderen grossen Belastungen führen sie mit ihren Kindern zusammen ein Familienleben unter unwürdigen Bedingungen (Sozialwohnungen, die nicht immer angemessen sind, geringe Freitzeitangebote und Weiterbildungmöglichkeiten, usw.).

In der dritten Lebensphase stehen dieselben Menschen, geprägt von ihrer Vergangenheit, in ihrem heutigen von Armut gekennzeichneten Alltag allein, oft auch einsam da. 

Der Kontakt mit dem Nachbarn wird kaum gesucht, und zusätzliche körperliche Altersbeschwerden führen zum Ausschluss vom öffentlichen gesellschaftlichen Leben.

Massen-Wohnungskündigungen sind für ältere Menschen ohne finanzielle Reserven eine harte Realität. Sie werden aus ihrem gewohnten sozialen Umfeld hinausgerissen. Trotz Unterstützung von staatlichen und kirchlichen Beratungsstellen haben sie keine grosse Auswahl für ein neues Zuhause, und müssen oft eine Wohnung in einer fremden Umgebung als günstigste Variante annehmen.

Eine Vielfalt von Herausforderungen

Eine starke Einsamkeit, Isolation und oft wenig Möglichkeiten um Eigeninitiative einzubringen, verbunden mit gesundheitlichen Beschwerden und Mobilitätseinschränkungen sind Folge all dieser gesellschaftlichen Lebensumstände, in denen armutsbetroffene ältere Menschen täglich stehen.

Diese Bilder der Altersarmut verdeutlichen uns heute die Vielfalt von Herausforderungen, denen Menschen in Armut im Alter gegenüber stehen.

Bei verschiedenen ATD-Projekten spürte ich, wie kreative Ressourcen und künstlerische Fähigkeiten auch bei älteren Menschen ausdrucksstark gelebt werden. Als schöpferische, kraftvolle Momente sind sie für jeden einzelnen für seinen Lebensweg so wichtig und wertvoll.

Ich unterstütze ältere Personen bei administrativen Arbeiten und begleite sie bei den oft langwierigen Abklärungen bei einzelnen Ämtern. Dabei stelle ich eine grosse Unsicherheit, ein nicht verstanden werden bei den Dialogen mit dem Gegenüber fest und erlebe mich als hilfreiche Brückenbauerin.

In meinem Freiwilligen-Engagement in der Stadtentwicklung und Quartierarbeit realisiere ich bei Netzwerkanlässen, wie das Thema Armut im Alter in der Sozial- und Gesundheitspolitik und bei einzelnen Non-Profit-Organisationen mit zu kleinen Schritten aber doch bewusster und ernsthafter angegangen wird.

Es ist eine Realität, der wir nicht ausweichen können!

In meinem zukünftigen Engagement bei ATD Vierte Welt ist es mir darum wichtig, vorerst durch aufsuchende Arbeit Einzelbegegnungen und in kleinen Gruppen von älteren armutsbetroffenen Menschen von ihren Erfahrungen aus ihrem alltäglichen Leben zu lernen, und so die Kenntnis auf nationaler und internationaler Ebene zu diesem Thema bereichern zu können. Aus dieser Kenntnis können anschliessend in einem späteren Schritt nach und nach neue Aktivitäten und Aktionen entstehen, die gemeinsam angegangen werden können.

Christine Lindt, ATD Vierte Welt Verbündete in Basel