17. Oktober 2024 – Medienmitteilung
Ermutigende Anzeichen für Veränderungen
– aber noch nicht überall
In diesem Jahr 2024 ist der 17. Oktober, der Welttag zur Überwindung der Armut, dem Thema „Soziale und institutionelle Misshandlung beenden“ gewidmet. Dieses Thema ist ein Echo der partizipativen Forschung „Armut – Identität – Gesellschaft“, die ATD Vierte Welt von 2019 bis 2023 in der Schweiz durchgeführt hat, indem sie das Wissen, von WissenschaftlerInnen, Fachleuten und von Menschen mit Armutserfahrung zusammenführte.
Seit der Veröffentlichung der Ergebnisse dieser Forschung unter dem Titel „Beziehungen zwischen Institutionen, Gesellschaft und Menschen in Armut in der Schweiz: eine Gewaltserfahrung, die weitergeht“ sind im ganzen Land konkrete und ermutigende Veränderungen spürbar:
- Von Armut betroffene Menschen ergreifen das Wort, um ihre Realitäten zu schildern und die Debatte mit ihrem Erfahrungswissen über Armut zu bereichern, und sie werden gehört – im Radio, im Fernsehen, in Zeitungen und digitalen Medien, bei Konferenzen, Symposien usw.
- Institutionen wie kantonale Sozialämter, das Bundesamt für Justiz, soziale Hochschulen, das Staatssekretariat für Wirtschaft, Winterhilfe, Netzwerke Gemeinwesenarbeit, das Migros-Kulturprozent sowie die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe treten in einen Dialog mit von Armut betroffenen Menschen, da sie davon ausgehen, dass diese über ein besonderes Wissen über Armut verfügen, ein Wissen, das – ebenso wie das wissenschaftliche und berufliche Wissen – unbedingt mit denjenigen, die darunter leiden, „an Bord genommen“ werden muss, um Projekte und Programme zur Überwindung der Armut zu entwickeln.
Die in diesem Forschungsbericht formulierten Ansätze für Veränderungen sind ehrgeizig, denn sie erfordern einen Wandel in der Sichtweise auf Armut und auf Menschen, die von Armut betroffen sind. Wenn junge Eltern Folgendes sagen, wird nicht nur eine Änderung der Bezeichnung gewünscht, sondern eine tiefgreifende Veränderung, ein Mentalitätswandel:
„Wenn wir mit dem Kinderschutz zu tun haben, was sagt das über uns Eltern aus? Dass wir nicht fähig sind? Dass man die Kinder vor ihren Eltern schützen muss? Natürlich muss man die Kinder schützen, aber man kann sie viel besser und kostengünstiger schützen, wenn man die Familien unterstützt und mit ihnen zusammenarbeitet, damit sie ihre eigenen Kinder unter guten Bedingungen betreuen können. Was wir brauchen, ist ein Perspektivenwechsel: wir brauchen die Umbenennung dieses Amtes in Amt für Familienunterstützung.“
Diese Entwicklung ist im Gange, wie die Anerkennung der Qualität dieses Forschungsberichts auf nationaler Ebene beweist – und sogar auf internationaler Ebene, da ATD Vierte Welt Schweiz eingeladen ist, die Ergebnisse am 17. Oktober am Sitz der Vereinten Nationen in New York zu präsentieren!
Damit diese Entwicklung an Kraft gewinnt, müssen die Institutionen, die sie tragen, weiterhin unterstützt werden:
- um Veränderungen auf gesetzlicher Ebene herbeizuführen;
- um die Ausbildung von Personen, die im sozialen Bereich arbeiten, weiterzuentwickeln und dabei das Erfahrungswissen der Hauptbetroffenen einzubeziehen: derjenigen, die die verschiedenen Unterstützungsdienste in Anspruch nehmen müssen;
- um in den Medien Menschen mit Armutserfahrungen nicht als Menschen darzustellen, die auf Kosten der Gesellschaft leben, sondern als Menschen, die tagtäglich, oft seit Jahren oder sogar Generationen, gegen Lebensumstände kämpfen, auf die sie nur wenig Einfluss haben.
Diese Unterstützung der Institutionen ist sozialer, politischer, rechtlicher Art und betrifft auch die Medien. Sie ist aber auch finanzieller Art. Die für die nächsten Jahre angekündigten Budgetkürzungen im Sozialbereich würden diese Entwicklung sehr verlangsamen. Dabei hat das Land sowohl sozial als auch finanziell viel zu gewinnen, wenn es sich wirksam in diesem Kampf engagiert – an der Seite der Menschen, die von Armut betroffen sind.
Medienkontakt: Tel. 077 446 99 28 und/oder perry.proellochs@atd.ch
Nationales Zentrum ATD Vierte Welt – Crausa 3 – 1733 Treyvaux – Tel. 026 413 11 66 – www.atd.ch